Zahlungsauftrag am Schalter einer Bank zugunsten des Kontos eines Betrügers bei einer Bank im Ausland
Der 89-jährige Kunde hatte auf eine Anzeige im Internet reagiert, in der vermeintlich sehr rentable Investitionen im Ausland angepriesen wurden. Nach einem E-Mail-Austausch mit einem angeblichen professionellen Berater entschloss sich der Kunde, eine Investition von EUR 20’000 zu tätigen. Er ging persönlich an den Bankschalter und bat den Schaltermitarbeiter darum, dass eine Überweisung von EUR 20’000 zu Lasten seines Sparkontos zugunsten des Kontos, dessen Daten ihm der „Berater“ mitgeteilt hatte, ausgeführt werde. Dabei zeigte er gemäss seinen Angaben dem Schaltermitarbeiter die E-Mail mit den Angaben zur Überweisung und der IBAN des Empfängerkontos bei einer ausländischen Bank. Der Schaltermitarbeiter habe den Kunden danach auf die Rückzugslimite für das Sparkonto aufmerksam gemacht und vorgeschlagen, den Betrag von EUR 20’000 in zwei Beträge von je EUR 10’000 zu unterteilen, wobei ein Teilbetrag über EUR 10’000 sofort und der zweite Teilbetrag in gleicher Höhe unter Einhaltung der Kündigungsfrist auf dem Sparkonto erst zu Beginn des nächsten Monats ausgeführt werden sollte. Mit der Aufteilung konnte die Nichtkündigungsgebühr vermieden werden.
Am Wochenende nach der ersten Transaktion besprach der Kunde die Investition und die damit verbundenen Zahlungen mit seinen Kindern. Seine Kinder erkannten in den Umständen der Transaktion Hinweise, welche auf einen Betrug hindeuteten und überzeugten den Vater, dass er Opfer eines Betrugs geworden war. Am darauffolgenden Montag ging der Kunde erneut zum Bankschalter. Er verlangte die Stornierung der noch nicht ausgeführten Überweisung und die Rückforderung der bereits ausgeführten Zahlung. Die Bemühungen seiner Bank, den Betrag von der Empfängerbank wieder erhältlich zu machen, blieben erfolglos. Der Betrugsverdacht erhärtete sich, da das Geld verschwunden blieb. Vertreten durch seine Kinder machte der Kunde gegenüber der Bank einen Schaden von EUR 10’000 geltend. Er war der Ansicht, dass dieser zumindest teilweise auf ein Fehlverhalten der Bank zurückzuführen sei. Seine Kinder hatten den Betrug aufgrund seiner Schilderungen sofort erkannt. Ihrer Meinung nach hätte der Angestellte am Schalter auch erkennen müssen, dass ihr Vater Opfer eines Betrugs geworden war und ihn entsprechend warnen sollen.
In einer Beschwerde an die Bankleitung warfen die Kinder des Kunden der Bank vor, den Betrug nicht erkannt und sich nicht nach den Motiven erkundigt zu haben, die dem Zahlungsauftrag Ihres Vaters zugrunde lagen. Ihrer Meinung nach hätten mehrere Faktoren die Bank warnen müssen: das Alter ihres Vaters, die Tatsache, dass er in den letzten Jahrzehnten keine Überweisungen ins Ausland getätigt hatte, dass er sein Vermögen gewöhnlich nicht für Anlagen verwendete und dass der Zahlungsauftrag einen für ihn sehr hohen Betrag umfasste, der mehr als einem Drittel des Guthabens auf seinem Sparkonto entsprach. Hätte die Bank zusätzliche Informationen über die Gründe für die Zahlung erfragt oder den Kunden vor der Gefahr gewarnt, dass er Opfer eines Betrugs werden könnte, hätte der Kunde gemäss den Angaben seiner Kinder mit Sicherheit auf die Überweisung verzichtet und somit keinen Schaden erlitten. Die Kinder verlangten daher, dass die Bank ihrem Vater eine Entschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte des ihm entstandenen Schadens leisten sollte, d. h. mindestens EUR 5’000.
Die Bank machte geltend, dass sie für den Kunden lediglich einen Zahlungsauftrag ausgeführt habe. Als Beauftragte sei sie verpflichtet, sicherzustellen, dass der Auftraggeber zur Erteilung des Auftrags legitimiert sei und danach den erteilten Auftrag weisungsgerecht und zeitnah auszuführen. Die Bank sei nicht verpflichtet, die von ihren Kunden angegebenen Empfänger oder die Begleitumstände eines Zahlungsauftrags anhand bestimmter Kriterien zu überprüfen. Die Bank wies darauf hin, dass es den Kunden obliegt, die Geschäftspartner, an die sie eine Zahlung tätigen wollen, sorgfältig zu prüfen. Gestützt auf diese Grundsätze weigerte sich die Bank, auf die Möglichkeit einer Entschädigung zugunsten des Kunden einzugehen. Der Kunde und seine Kinder teilten die Meinung der Bank nicht und wandten sich mit dem Fall an den Ombudsman. In ihrem Vermittlungsgesuch machten sie im Wesentlichen geltend, dass die Stellungnahme der Bank die Besonderheiten des Falles nicht berücksichtige.
Nachdem der Ombudsman die ihm vom Kunden und seiner Kinder gemachten Angaben analysiert hatte, wandte er sich an die Bank. Er teilte ihr mit, dass er die Argumente, auf welche die Bank in ihrer Stellungnahme an den Kunden und seine Kinder hingewiesen hatte, grundsätzlich teile. Der Ombudsman wies jedoch darauf hin, dass es Einzelfälle geben könne, in denen es angezeigt sei, dass eine Bank aufgrund der Sorgfalts- und Treuepflicht im Auftragsverhältnis gegenüber dem Kunden als Auftraggeber, dem Kunden zusätzliche Warnhinweise gebe. Dies setze aber voraus, dass sie einen Kunden nach den Hintergründen seiner Anweisungen fragt und ihn auf das Risiko aufmerksam macht, dass er Opfer eines Betrugs werden könnte, wenn es entsprechende Hinweise gibt.
Im vorliegenden Fall enthielt die E-Mail mit den Zahlungsanweisungen, die der Kunde nach seinen Angaben am Bankschalter vorgelegt hatte, auch einen Link zur Installation eines bekannten Programms, über das Dritte auf den Computer des Kunden hätten zugreifen können. Nach Ansicht des Ombudsman hätte das Vorhandensein eines solchen Links auf der E-Mail – sofern er von der Bank bemerkt worden wäre – ein deutlicher Hinweis sein können, dass die Bank den Kunden in fortgeschrittenem Alter hätte warnen müssen. Die Erfahrung zeigt, dass Kriminelle solche Programme in Kombination mit anderen Informationen, welche sie von ihren Opfern erhalten, nutzen, um die Kontrolle über die Computer der Opfer zu erlangen und so an ihre Bankdaten zu gelangen. Im Lichte dieser Überlegungen bat der Ombudsman die Bank, ihren Standpunkt zu überdenken.
In ihrer Antwort an den Ombudsman bestätigte der von der Bank für das Ombudsverfahren beauftragte Anwalt im Wesentlichen die ursprüngliche Position seiner Klientin. Diese wies jegliche Verantwortung für den Vorfall zurück und bekräftigte ihre Weigerung, dem Kunden irgendeine Entschädigung zu gewähren. Zum Ablauf der Ereignisse am Schalter führte die Bank aus, dass der Kunde ihr nach den Schilderungen ihres Mitarbeiters nicht die gesamte E-Mail, die ihm die Betrüger übermittelt hatten, vorgelegt habe, sondern nur den Teil mit den Angaben zum Empfängerkonto. Nach Ansicht der Bank war der verdächtige Link daher nicht sichtbar. Die übrigen Angaben des Kunden hätten nicht erkennen lassen, dass er in Wirklichkeit Opfer eines Investitionsbetrugs geworden war.
Aufgrund des Umstands, dass die Bank ihre Version des Sachverhalts vehement verteidigte und der Unmöglichkeit, die genauen Geschehnisse am Schalter zu klären und schliesslich der konsequenten Weigerung der Bank, zu einem Entgegenkommen Hand zu bieten, stellte der Ombudsman die Vermittlungsbemühungen ein.
In seinem Abschlussbrief an den Kunden drückte der Ombudsman sein Bedauern über den Schaden aus, den die Betrüger diesem zugefügt hatten. Er erklärte auch, dass er als Vermittler die Glaubwürdigkeit der Parteien respektieren müsse und nicht über die Zuständigkeit oder Ressourcen verfüge, aufwändige Untersuchungen durchzuführen oder Beweise zu erheben. Aus diesem Grund sei es ihm nicht möglich, Zeugen zu befragen, um zu versuchen, die genauen Umstände zu ermitteln, unter denen der Kunde der Bank den Zahlungsauftrag erteilte und wie ihr Mitarbeiter ihn entgegengenommen hatte. Im Übrigen entsprachen die von der Bank im Zusammenhang mit der Ausführung von Zahlungsaufträgen erläuterten Pflichten nach Ansicht des Ombudsman der in der Schweiz überwiegend vertretenen Rechtsauffassung.