Wertpapierkauf: Wer haftet für unerwartete Steuerfolgen?
Ein Bestandteil des von der Bank empfohlenen strukturierten Produkts war ein sogenannter „Zero-Bond“. Aus steuerlicher Sicht bestand das Produkt – was die Erträgnisse anbetrifft – aus zwei Komponenten: einerseits einer einkommenssteuerpflichtigen Obligationenkomponente und andererseits einer für in der Schweiz steuerpflichtige Privatpersonen steuerfreien Optionenkomponente. Da das Produkt im Zeitpunkt des Verfalls zu 100% zurückbezahlt wird, wird angenommen, dass in diesem Betrag die für eine Obligation übliche Verzinsung enthalten ist. Dieser Betrag entsprach im konkreten Fall CHF 3’355.-. Weil auf der anderen Seite die Optionenkomponente aufgrund der schlechten Börsenlage wertlos verfallen war, blieb es betragsmässig bei der Rückzahlung des investierten Betrags.
Es war unbestritten, dass der Berater die Kundin nicht auf diese steuerliche Eigenheit des von ihm ausgewählten und der Kundin empfohlenen Produkts hingewiesen hat. Ebenso wenig enthielt das der Kundin übergebene Fact-Sheet einen konkreten Hinweis.
Die Bank wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass eine steuerliche Beratung nur auf Anfrage und nur gegen Entgelt erbracht werde. Ferner handle es sich nicht um einen ungewöhnlichen Sachverhalt, sei doch seit Jahren bekannt, dass Zero-Bonds der Einkommensbesteuerung unterliegen. Und zudem sei aus der Abrechnung über den Kauf des Produkts ersichtlich gewesen, dass sich der Betrag für die Steuern auf CHF 46’645.- belaufe.
Der Ombudsman vertrat eine andere Auffassung. Zwar ist es korrekt, dass alle Banken eine Beratung des Kunden in Steuerfragen nur gegen Entgelt anbieten. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Frage, wie sich ein bestimmtes Investment auf die steuerliche Situation eines bestimmten Kunden auswirkt. Vielmehr handelt es sich um eine mit dem konkreten Produkt untrennbar verbundene Steuerfolge, welche alle in der Schweiz steuerpflichtigen Privatpersonen in gleicher Weise trifft. Über diese besonderen, mit dem Produkt verbundenen Folgen muss die Bank den Kunden nach Meinung des Ombudsman in gleicher Weise aufklären wie sie verpflichtet ist, ihn über die speziellen Eigenheiten wie zum Beispiel die Funktions- oder die Berechnungsweise der anderen Erträgnisse aufzuklären. Zum anderen scheint dem Ombudsman die Behauptung der Bank, es sei notorisch, dass eine Anlage in Zero-Bonds seit vielen Jahren der Einkommensbesteuerung unterliege, insofern sehr gewagt, wenn damit – wie vorliegend – insinuiert werden soll, dass eine Kundin, welcher ein solches für sie neues Produkt von der Bank empfohlen wird, diese Feinheit in Bezug auf die Steuern kennen müsse.
Was die Kaufabrechnung anbetrifft, so enthielt diese tatsächlich den Hinweis, dass der für die Steuern massgebende Betrag CHF 46’645.- betrage. Es wird jedoch mit keinem Wort darauf hingewiesen, dass der Restbetrag als Einkommen zu versteuern sei. Zudem wurde auf dem fünf Jahre später die Rückzahlung dokumentierenden Beleg nicht darauf hingewiesen, dass sich der ausbezahlte Betrag aus zwei Komponenten, nämlich einem Kapitalbetrag von CHF 46’645.- und einem Zinsbetreffnis von CHF 3’355.-, zusammensetze. Es wird mit dem identischen, bereits in der Kaufabrechnung verwendeten Wortlaut darauf hingewiesen, dass der für die Steuern massgebende Betrag CHF 50’000.- betrage. Nach Meinung des Ombudsman war die Auffassung der Bank, die Kundin habe aus diesen Belegen darauf schliessen müssen, dass zusätzliche Einkommenssteuern fällig würden, nicht richtig.
Dazu kommt der folgende Aspekt: Eine Bank darf einem Kunden nur solche Produkte empfehlen, welche seinem Anleger- und Risikoprofil entsprechen. Dabei hat sie den Kunden auf alle wesentlichen Aspekte des Produkts hinzuweisen, sofern sie davon ausgehen muss, dass die speziellen Eigenheiten des Produkts dem Kunden nicht bekannt sind. Das fragliche Produkt brachte es – wirtschaftlich betrachtet – mit sich, dass aus einem Teil des Kundenvermögens zu versteuerndes Einkommen wurde. Diesen Effekt wird ein nach den Regeln der Kunst vorgehender Berater vermeiden, und es darf wohl ausgeschlossen werden, dass eine nicht sehr begüterte Kundin ein solches Produkt kauft, wenn sie sich der steuerlichen Konsequenz bewusst ist. Nach Meinung des Ombudsman hätte der Berater im vorliegenden Fall den konkreten Zero-Bond überhaupt nicht empfehlen dürfen.
Die Bank hielt an ihrer Meinung fest. Sie erklärte sich jedoch bereit, der Kundin angesichts der Gesamtumstände einen Betrag von CHF 900.- zu bezahlen.