Verluste im Zusammenhang mit einem Vermögensverwaltungsmandat mit einem hohen Obligationenanteil
Zusätzlich zu ihren Hauptvorwürfen machte die Tochter der Kundin geltend, ihre Mutter habe in der Vergangenheit höchstens in Festgeldanlagen investiert und keine Erfahrung mit einer Investition in Obligationen gehabt. Angesichts der Zinssituation im Jahr 2021 hätte das in solche angelegte Geld besser auf einem Sparkonto belassen werden sollen, welches zwar auch gering verzinst worden, aber zumindest nicht mit einem Kursrisiko verbunden gewesen wäre. Die sogenannte Duration der Obligationen im Mandat von 7 Jahren und der Anlagehorizont von 5 Jahren sei zudem angesichts des hohen Alters ihrer Mutter nicht sinnvoll gewesen.
Die Bank erklärte, die Kundin habe sehr wohl Erfahrungen mit Aktien wie auch mit Obligationen gehabt. Sie sei an die Bank herangetreten, weil sie weiterhin Wertschriftenanlagen habe halten wollen, um welche sie sich aber nicht mehr selbst habe kümmern wollen. Aus diesem Grund sei ihr ein Vermögensverwaltungsmandat empfohlen worden. Angesichts der kleinen Risikobereitschaft der Kundin sei das Anlageziel «Ertrag» gewählt worden. Ein solches Mandat beruhe auf einer standardisierten Asset-Allokation (5% Liquidität, 60% Obligationen, 25% Aktien und 10% Alternative Anlagen). Darüber, und über die damit verbundenen Risiken, sei sie mittels der Broschüre «Risikoaufklärung» und anhand von konkreten Rechenbeispielen informiert worden. Sie habe dem zugestimmt und auch ausdrücklich einen Anlagehorizont von 5 Jahren gewählt.
Auf das Argument, eine Investition in eine 0% Anlage könne längerfristig nur Verluste bringen, entgegnete die Bank, eine Investition in gering oder gar zu 0% verzinste Obligationen habe zur damaligen Zeit einer konservativen Anlagestrategie entsprochen. Kontoguthaben seien damals nicht besser oder gar negativ verzinst worden. Die Kundin habe zudem ausdrücklich Wertschriftenanlagen gewünscht. Zudem sei es unklar gewesen, ob es nicht zu weiteren Zinssenkungen kommen könnte. Bei einer solchen hätte es Aufwertungs- resp. Kursgewinne bei Obligationen gegeben. Im Zuge einer generellen Anpassung der Anlagestrategie, welche kontinuierlich überprüft werde, sei wegen der Möglichkeit einer Zinserhöhung der Obligationenanteil auf rund 50% gesenkt worden. Der starke Zinsanstieg nach der Pandemie sei aber nicht absehbar gewesen und habe die Marktteilnehmer überrascht.
Dem Ombudsman wurden im Berichtsjahr mehrere Fälle vorgelegt, in welchen sich Kunden über Verluste im Zusammenhang mit Obligationen beklagten. Dies betraf sowohl obligationenlastige Vermögensverwaltungsmandate wie auch entsprechende Anlagefonds, welche im Rahmen von Anlageberatungsmandaten erworben wurden. Solche Investitionen gelten im Vergleich zu Aktien traditionell als risikoarm und konservativ, weil sie weniger Kursschwankungen unterliegen. Im Jahr 2022, in welchem sich praktisch alle Anlagekategorien negativ entwickelten, war dies jedoch nicht so. Obligationen waren wegen der raschen Erhöhung des Zinsniveaus sogar besonders von Kursverlusten betroffen. Zwar war diese Entwicklung im Zeitpunkt der Beratung nur eines der möglichen Szenarien, aber angesichts des lange andauernden, historisch tiefen Zinsniveaus sollte das Zinsänderungsrisiko unter Mitberücksichtigung des vom Kunden gewünschten Anlagehorizonts im Rahmen einer umfassenden Besprechung der Chancen und Risiken zumindest thematisiert werden. Gemäss der Wahrnehmung des Ombudsman entsprach es auch in der zur Diskussion stehenden Zeit gängiger Marktpraxis, Obligationen als konservative Anlageinstrumente zu behandeln.
Bei Investitionen, die im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats vorgenommen werden, liegt das Marktrisiko grundsätzlich beim Anleger. Eine Haftung dafür, dass sich Einschätzungen über die zukünftige Entwicklung von Märkten und Kursen als richtig erweisen, gibt es nicht. Die Banken haben im Rahmen eines Vermögensverwaltungsmandats innerhalb des Anlageziels bei der Umsetzung einen grossen Spielraum. Sie schulden eine sorgfältige Umsetzung des Mandats, nicht aber eine bestimmte Anlageentwicklung. Allein der Umstand, dass ein Verlust eingetreten ist, bedeutet somit nicht, dass die Bank unsorgfältig handelte und dafür haftet.
Von einer unsorgfältigen Ausübung des Mandats kann unter anderem dann gesprochen werden, wenn der Entscheid bzw. die Empfehlung, eine bestimmte Anlage zu tätigen oder ein Portfolio in einer gewissen Art und Weise zu strukturieren, im damaligen Zeitpunkt offensichtlich unvernünftig war oder im Widerspruch zu konkreten vertraglichen Vereinbarungen oder zum Anlegerprofil stand.
Das Bundesgericht geht sodann bei der Vermögensverwaltung von einer umfassenden Aufklärungs-, Beratungs- und Warnpflicht des Beauftragten aus. Diese richtet sich nach dem Wissensstand des Kunden und der Art der in Frage stehenden Anlagemöglichkeit. Die Abgabe einer Risikoaufklärungsbroschüre an eine in Vermögensangelegenheiten gänzlich unerfahrene Kundin ist gemäss einem seiner Entscheide keine hinreichende Risikoaufklärung.
Im Fall der vorliegenden Kundin stand die Frage im Zentrum der Auseinandersetzung, ob es im Frühjahr 2021 vernünftig und vertretbar war, einen grossen Teil des Vermögens in Obligationen resp. Produkte mit Obligationencharakter anzulegen, die sich bei Zinsveränderungen in dieselbe Richtung entwickeln, bzw. ob dies einer sorgfältigen Anlagetätigkeit entsprochen hat. Weiter stellte sich die Frage, ob die Kundin über die Eigenheiten dieser Anlageallokation so aufgeklärt worden ist, dass sie deren Tragweite erkannte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass vor allem in Obligationenfonds investiert wurde. Während ein Anleger in einzelne Obligationen bei einem Buchverlust wegen gestiegener Zinsen die Rückzahlung des Titels abwarten kann und dann das Nominalkapital erhält, ist die Situation bei einem Obligationenfonds schwieriger zu vermitteln, so dass der Anleger bei einem Wertverlust des Fonds wohl eher beunruhigt ist und diesen unter Umständen zur Unzeit verkauft. Erst mit dem Verkauf wird also aus dem Buch- ein realisierter Verlust. Anleger sind gut beraten, einen solchen Schritt nicht übereilt zu tätigen. Sie können danach nicht mehr von möglichen Kurserholungen profitieren.
Die Bank lehnte ein Entgegenkommen ab und begründete in ihren Stellungnahmen an den Ombudsman, weshalb sie die Alternative, das in die Obligationen investierte Kapital auf Sparkonten zu belassen, verworfen hatte. Damit wären zwar die Vermögensverwaltungsgebühren weggefallen, aber dafür wären unter Umständen Negativzinsen angefallen. Sie vertrat die Position, die Zinsentwicklung sei damals unsicher gewesen und die starke Erhöhung habe nicht vorausgesehen werden können. Sie habe bei der Vermögensallokation sorgfältig gehandelt, und über das Zinsänderungsrisiko sei die Kundin mit Berechnungsbeispielen aufgeklärt worden.
Der Ombudsman ist für eine gütliche Einigung auf die Bereitschaft der Parteien zu einem Entgegenkommen angewiesen. Die Bank hat dies gestützt auf ihre Argumente entschieden abgelehnt, so dass der Ombudsman die Vermittlungsbemühungen einstellte und das Dossier mit einem erläuternden Bescheid schloss.