Verlust mit einer islamischem Recht unterliegenden Anleihe
Der Kunde erklärte, er sei ein konservativer Anleger mit dem Ziel des Kapitalerhalts, was in seinem Kundenprofil so festgehalten sei. Er sei Beratungskunde der Bank. Da er aber die Beratungsempfehlungen jeweils nicht hinterfrage und diesen einfach folge, habe das Verhältnis eher den Charakter einer Vermögensverwaltung. Er habe sich bei der Bank nach einer Investition in einen sogenannten «Sukuk» erkundigt, einer islamischem Recht unterliegenden Anleihe, mit welcher das Zinsverbot respektiert werden kann. Darauf habe er von seinem Kundenberater eine Liste mit für ihn passenden Anlagevorschlägen erhalten. Im nachfolgenden Beratungsgespräch habe sein Kundenberater ihm empfohlen, USD 200’000 in den Sukuk einer staatlich beherrschten asiatischen Fluggesellschaft zu investieren. Er sei dieser Anlageempfehlung gefolgt und habe einen entsprechenden Kaufauftrag erteilt, welche von der Bank ausgeführt worden sei.
Die Anlage habe in der Folge an Wert verloren und sei schliesslich notleidend geworden. Er habe realisiert, dass die Empfehlung viel zu risikoreich gewesen sei und deshalb nicht seinem Kundenprofil entsprochen habe. Im Gegensatz zu einer Anfrage für eine Bitcoin-Investition habe ihn die Bank nicht auf die hohen Risiken der Anlage hingewiesen und ihn nicht gewarnt. Die Anleihe habe nicht einmal ein Rating gehabt.
Die Bank habe ihn danach nie unterstützt. So sei er nie proaktiv über die Handlungsmöglichkeiten informiert worden, welche ihm in der schwierigen Zeitperiode nach dem Wertverlust der Anlage zur Verfügung gestanden wären. Die Bank habe ihn beim Verkauf der Anleihe nicht unterstützt und seine limitierten Aufträge nicht ausgeführt. Er habe auch einen unlimitierten Verkaufsauftrag erteilt, welcher von der Bank ignoriert worden sei. Der entstandene Verlust wiege für ihn als Rentner sehr schwer, da er auf das Geld für seinen Lebensunterhalt angewiesen sei.
Die Bank habe ihre Treuepflichten ihm gegenüber verletzt und sei deshalb für den Ersatz des ihm entstandenen Schadens verantwortlich, welchen er mit dem gesamten Investitionsbetrag von USD 200’000 bezifferte. Er untermauerte seine Sachdarstellung mit einer mehrseitigen Liste von Vorwürfen an die Bank, welche sehr detailliert formuliert waren.
In ihrer Stellungnahme an den Ombudsman erklärte die Bank, laut dem Kundenprofil habe der Kunde frei verfügbare Vermögenswerte von über USD 1 Mio. Seine Risikobereitschaft habe er als «ausgewogen» bezeichnet und habe sich dabei zwischen der tieferen «konservativ» und der höheren «equity» eingestuft. Er habe die Box «Liquidität» nicht angekreuzt und dabei zu erkennen gegeben, dass er nicht lediglich in liquide Anlagen investieren wolle und nicht nur eine limitierte Volatilität toleriere.
Der Kunde sei Absolvent einer amerikanischen Eliteuniversität und habe 25 Jahre in leitenden Funktionen bei reputablen Finanzdienstleistern gearbeitet. Gemäss den Angaben im Kundenprofil habe er unter anderem Kenntnisse und Erfahrungen in Anleihen nach islamischem Recht, Handelsprodukten, Finanztransaktionen, Krediten und Syndikationen. Er sei als Beratungskunde registriert. Ein schriftlicher Beratungsvertrag existiere aber nicht. Die zur Diskussion stehende Transaktion sei «execution-only» und ohne Beratung der Bank abgewickelt worden.
Auf der vom Kunden erwähnten Liste hätten sich lediglich eine Anzahl Investitionsideen für die allgemeine Kundschaft der Bank befunden. Im klar ersichtlichen Disclaimer sei unter anderem auf das Liquiditätsrisiko der Investitionen hingewiesen worden. Zudem sei dort auch klargestellt worden, dass es sich lediglich um Investitionsideen handle, welche nicht auf die individuellen Bedürfnisse eines Kunden zugeschnitten seien. Die Liste habe auch Sukuks mit Ratings enthalten. Der Kunde sei mit dem Wunsch an die Bank herangetreten, USD 200’000 in einem Sukuk mit hohem Ertrag zu investieren. Er habe seinem Kundenberater nach Konsultation der Liste den Auftrag erteilt, diesen Betrag in den Sukuk der staatlich beherrschten asiatischen Fluggesellschaft zu investieren. Diesen Entscheid habe er selbständig gefällt. Das vom Kunden behauptete Beratungsgespräch habe es nicht gegeben. Der von ihm ausgewählte Sukuk wäre aber mit seinem Kundenprofil vereinbar gewesen. Der Kunde habe zweifellos gewusst, was er tue. Die Bank habe keinen Anlass gesehen, den von ihm bewusst und unmissverständlich gefällten Investitionsentscheid zu hinterfragen.
Der Kunde habe immer Zugriff über die bei der Bank verfügbaren Informationen über die Entwicklung des Sukuk gehabt und seinen Kundenberater jeweils für Fragen kontaktieren können. Ein vom Kunden ohne Limite erteilter Verkaufsauftrag habe von der Bank nicht ausgeführt werden können, da die Anlage eine gewisse Zeit komplett illiquid gewesen sei und nicht habe veräussert werden können. Die in der Folge vom Kunden mit einer Limite erteilten Verkaufsaufträge seien nicht ausgeführt worden, weil die Limiten nicht erreicht worden seien. Die Anleihe habe immer noch einen Kurswert. Dieser sei aber bescheiden. Zudem habe der Kunde Erträge erhalten. Der vom Kunden geltend gemachte Schadensbetrag von USD 200’000 sei zu hoch angesetzt. Abschliessend halte die Bank fest, dass der Kunde die Anleihe vor der Covid-Pandemie erworben habe, welche nicht habe vorausgesehen werden können. Beim Wertverlust der Anleihe habe es sich um ein gewöhnliches Anlagerisiko gehandelt, welches vom Kunden getragen werden müsse. Die Bank war deshalb nicht zu einer Entschädigung bereit und hatte im direkten Kontakt mit dem Kunden zur gütlichen Beilegung der Auseinandersetzung lediglich gewisse Sonderkonditionen für die Zukunft offeriert. Diese Offerte hatte der Kunde abgelehnt.
Der Ombudsman sah sich in diesem Fall mit dem Problem konfrontiert, dass die Sachverhaltsdarstellung der beiden Parteien in einigen für die Beurteilung des Falles wesentlichen Punkten auseinanderfiel. Der Ombudsman darf die Glaubwürdigkeit der Parteien nicht hinterfragen und kann solche unterschiedliche Sachdarstellungen nicht mit Beweisverfahren verbindlich klären. Dies vorausgesetzt, musste er feststellen, dass die Informationen des Kunden betreffend seinem Kundenprofil nicht der dokumentierten Situation entsprachen. Aufgrund der Unterlagen teilte der Ombudsman im weiteren die Ansicht der Bank, dass die vom Kunden erwähnte Liste lediglich allgemeine Investitionsideen enthielt und darauf deutlich gekennzeichnet war, dass es sich nicht um individuelle, auf einen bestimmten Kunden zugeschnittene Anlageempfehlungen handelte. Die Liste enthielt eine Anzahl Sukuks mit zum Teil hohen Ratings, welche allerdings gegenüber dem gewählten Sukuk kleinere Erträge versprachen.
Die Frage, ob die Anlage aufgrund einer Anlageberatung oder lediglich «execution-only» erworben wurde, wäre für die Beurteilung des Falles bedeutsam gewesen, da mit den beiden unterschiedlichen Vertragsverhältnissen auch unterschiedliche Rechte und Pflichten verbunden sind. Falls die Anlage lediglich «execution-only» erworben wurde, war die Bank lediglich verpflichtet, den Kundenauftrag zum Erwerb weisungsgemäss auszuführen. In gewissen Fällen hätte sie Warnpflichten, z.B. wenn sie gewusst hätte oder hätte erkennen können, dass sich der Kunde den mit der Anlage verbundenen Risiken nicht bewusst war. Dass die Bank im konkreten Fall keine Warnung ausgesprochen hatte, war aufgrund des bei ihr vorhandenen Kundenprofils und des beruflichen Hintergrunds des Kunden für den Ombudsman nachvollziehbar. Der Kunde hatte seinen beruflichen Hintergrund dem Ombudsman im Übrigen nicht offengelegt.
Der Ombudsman konnte das Argument der Bank auch verstehen, dass im Rahmen einer – von ihr bestrittenen – Anlageberatung die Empfehlung des konkreten Sukuk nicht zu beanstanden war. Der Kunde hätte jedoch nach Ansicht des Ombudsman in einem Anlageberatungsgespräch auf den im Verhältnis zu seinem übrigen frei verfügbaren Vermögen hohen investierten Betrag aufmerksam gemacht werden müssen.
Unterschiedlich wurden von den Parteien auch die Ereignisse beim Wertverlust und im Zusammenhang mit den Verkaufsbemühungen dargestellt. Die Bank offerierte, ihre Darstellung mit den verfügbaren Belegen zu dokumentieren. Der Ombudsman musste den Kunden auch darauf aufmerksam machen, dass die Überwachung des Depots und Dienstleistungen im Zusammenhang mit notleidenden Titeln nicht automatisch Bestandteil des von ihm behaupteten Beratungsverhältnisses gewesen wären. Diese hätten mit der Bank separat vereinbart werden müssen. Schliesslich teilte der Ombudsman die Ansicht der Bank, dass sich vorliegend ein gewöhnliches Anlagerisiko verwirklicht hatte, welches in der Regel vom Anleger getragen werden muss. Die asiatische Fluggesellschaft, welche den Sukuk herausgegeben hatte, geriet wegen der Covid-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste saniert werden, was zum Wertverlust der Anleihe führte. Dieses Ereignis betraf die gesamte Anlegergemeinde und war zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anleihe im Jahr 2017 nicht vorhersehbar.
Angesichts dieser Umstände und der konsequent vertretenen Weigerung der Bank, dem Kunden eine Entschädigung zu leisten, musste der Ombudsman den Fall mit einem erläuternden Bescheid abschliessen. Der Kunde kam nach einiger Zeit auf den Ombudsman zurück und erklärte, der Bescheid sei für ihn unausgewogen und einseitig. Er verlangte eine Neubeurteilung des Falles. Er bestätigte die Darstellung der Bank, dass er während vielen Jahren in leitenden Positionen bei grossen Finanzinstituten tätig war, präzisierte aber, dass er nicht im Anlagebereich tätig gewesen sei. Der Ombudsman teilte ihm mit, dass die zusätzlichen Informationen am Schlussbescheid nichts ändern würden und der Fall nicht wieder aufgenommen wird.