Verjährung von Ansprüchen auf Herausgabe von Retrozessionen
Die Kundin erklärte, sie habe bereits im Jahr 2012 von der Bank die Herausgabe von Retrozessionen verlangt. Mit dem damaligen Angebot der Bank sei sie nicht zufrieden gewesen. Sie habe dieses ausgeschlagen, weil die Bank sich auf den Standpunkt gestellt habe, es gelte für solche Forderungen eine Verjährungsfrist von fünf Jahren und ihr dementsprechend nur Retrozessionen und Bestandespflegekommissionen herausgeben wollte, die sie seit dem Jahr 2008 erhalten hatte. Die Kundin hatte mit der Bank im Jahr 2005 einen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen und war der Meinung, es gelte eine zehnjährige Verjährungsfrist, weshalb sie auch für die Jahre 2005, 2006 und 2007 einen Herausgabeanspruch habe.
Nachdem sie in der Zeitung vom Entscheid des Bundesgerichts vom 16. Juni 2017 erfahren hatte, mit welchem dieses die umstrittene Frage der Verjährungsfrist geklärt und diese auf zehn Jahre festgelegt hatte, gelangte sie im Herbst 2017 erneut an die Bank. Diese erklärte sich bereit, nun auch die Retrozessionen inklusive Zinsen aus dem Jahr 2007 herauszugeben. Die Kundin konnte sich nicht entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen sollte, und wandte sich ratsuchend an den Ombudsman.
Am neuen Angebot der Bank störte sie, dass dieses nicht auch die von der Bank in den Jahren 2005 und 2006 erhaltenen Retrozessionen umfasste. Sie schrieb, wenn die Bank bereits anlässlich ihrer ersten Forderung im Jahr 2012 die «richtige» Verjährungsfrist von zehn Jahren ab Entstehung des Rückerstattungsanspruchs angewandt hätte, hätte sie auch die Retrozessionen aus diesen Jahren erhalten. Es könne doch nicht sein, dass diese Ansprüche nun zwischenzeitlich verjährt seien, obwohl nun feststehe, dass die Verjährungsfrist zehn Jahre betrage.
Für diese Fragestellung hatte der Ombudsman Verständnis. Es ist ärgerlich und enttäuschend, wenn durch den Zeitablauf Ansprüche verjähren, die bei der ersten Geltendmachung noch nicht verjährt gewesen wären, wenn die umstrittene Rechtsfrage bereits damals geklärt gewesen wäre. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 16. Juni 2017 festgehalten, dass Ansprüche auf die Herausgabe von Retrozessionen einer Verjährungsfrist von zehn Jahren unterliegen und die Verjährung für jede einzelne Vergütung an dem Tag zu laufen beginnt, an dem die Bank sie erhalten hat. Damit stand grundsätzlich fest, dass aus aktueller Sicht die vor 2007 entstandenen Ansprüche verjährt sind, es sei denn, die Verjährung wäre zwischenzeitlich unterbrochen worden.
Vor diesem Entscheid war es umstritten, ob diese Art von Forderungen einer fünf- oder einer zehnjährigen Verjährungsfrist unterliegen. Für beide Positionen gab es valable juristische Argumente. Die Bank konnte deshalb nach dem Verständnis des Ombudsman im Jahr 2012, als die Kundin ihre Forderung zum ersten Mal geltend machte, in guten Treuen die Ansicht vertreten, Ansprüche, die sich auf weiter als fünf Jahre zurückliegende Zeiträume beziehen, seien verjährt. Eine «richtige» oder «falsche» Haltung zu dieser Frage gab es im damaligen Zeitpunkt nicht.
Dass die von der Bank im Jahr 2012 eingenommene Position nun nach dem klärenden Urteil revidiert werden muss, ändert nach Auffassung des Ombudsman wohl nichts daran, dass Ansprüche, die aus heutiger Sicht vor über zehn Jahren entstanden sind, nun dieser Verjährungsfrist unterliegen und, sofern keine Handlung vorgenommen wurde, um die Verjährung zu unterbrechen (z. B. die Einleitung einer Betreibung, eine Klageerhebung oder die Einholung einer Verjährungsverzichtserklärung der Bank) verjährt sind. Dies auch dann, wenn die Ansprüche damals, als sie geltend gemacht wurden, noch nicht verjährt gewesen wären, wenn bereits dann die zehnjährige Verjährungsfrist angewandt worden wäre.
Der Ombudsman wies die Kundin weiter darauf hin, dass in der Lehre teilweise diskutiert wird, ob die Berufung auf die Verjährung in gewissen Fällen rechtsmissbräuchlich sein könnte. Im erwähnten Entscheid des Bundesgerichts wurde diese Frage für den dort zu beurteilenden Fall verneint. Dies mit der Begründung, dass der Schuldner den Gläubiger nicht aktiv davon abgehalten hatte, eine verjährungsunterbrechende Handlung vorzunehmen. Die Verjährung gelte absolut und auch dann, wenn der Gläubiger von der Forderung gar nichts gewusst habe.