Schadenersatzanspruch nach einem Betrug durch falsche Polizisten
Die Kundin wurde Opfer einer perfiden Betrugsmasche, welche im Berichtsjahr vermehrt beobachtet wurde. Die unbekannten Täter suchen gezielt nach Personen im fortgeschrittenen Alter, kontaktieren sie telefonisch und geben sich als Mitarbeitende der Polizei aus. Die falschen Polizisten behaupten, ein naher Angehöriger des Opfers sei in einer ausserordentlichen Notsituation, z. B. weil er schuldhaft einen Autounfall verursacht habe, und brauche dringend Bargeld, sonst erleide er wesentliche Nachteile. Im vorliegenden Fall behaupteten die Täter, die Tochter brauche für eine Kaution 55 000 CHF. Im Hintergrund hörte die Kundin die angebliche Tochter schluchzen, ohne mit ihr sprechen zu können. Die Täter bauten massiven Druck auf, so dass sich die Kundin überzeugen liess, umgehend zur Bank zu fahren, wo sie wegen einer bestehenden Rückzugslimite auf ihrem Sparkonto lediglich 40 000 CHF abheben konnte. Sie übergab diesen Betrag den angeblichen Polizisten zusammen mit Schmuck. Dieser war versichert, das Bargeld aber war verloren.
Der Sohn der Kundin machte der Bank im Zusammenhang mit dem Geldbezug schwere Vorwürfe. Seiner Meinung nach hätte die Bank seiner hochbetagten Mutter einen so hohen Geldbetrag nicht auszahlen dürfen, ohne Rückfragen zum Verwendungszweck zu stellen und nachzufragen, ob sie eine Beratung oder Begleitung brauche. Der Geldbezug seiner Mutter, welche regelmässig nur wesentlich kleinere Beträge abhebe, sei für sie völlig ungewöhnlich gewesen, was der Bank hätte auffallen sollen. Da die Bank unsorgfältig gehandelt habe, verlangte er für seine Mutter eine Entschädigung.
Die Bank wies die Vorwürfe zurück und lehnte ein Entgegenkommen ab. Sie legte dar, dass die Kundin beim Bankbesuch unbegleitet war. Auch habe niemand auf sie gewartet. Sie sei über die Rückzugsbedingungen informiert und gefragt worden, ob sie einen so hohen Betrag tatsächlich sofort in bar benötigte. Sie habe dies verneint und erklärt, sie werde dies mit ihren Töchtern anschauen. Entgegen der Empfehlung der Bank, den Bargeldbezug zuerst mit den Töchtern zu besprechen, habe sie auf der Auszahlung von 40 000 CHF innerhalb der Rückzugslimite bestanden. Sie habe während des ganzen Gesprächs nicht nervös, gestresst oder verwirrt gewirkt.
Der Sohn kontaktierte darauf den Ombudsman. Seine Mutter bestritt, dass sie in der Bank erklärt habe, sie wolle mit ihren Töchtern Rücksprache nehmen. Sie habe nur eine Tochter, welche ja der von den Betrügern vorgeschobene Auslöser der plötzlichen Mittelbeschaffung war. Zusätzlich war der Sohn der Ansicht, die Bank habe mit der Auszahlung die Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) verletzt, da sie das Kundenprofil seiner Mutter gekannt habe und ohne Weiteres hätte feststellen können, dass der Geldbezug für seine Mutter aussergewöhnlich war.
Der Ombudsman erklärte dem Sohn der Kundin, es wäre aus seiner Sicht wünschenswert, wenn die Bankmitarbeiter in einem solchen Fall das Thema Betrug in den bekannten Formen (Enkeltrick, falsche Handwerker oder Polizisten) explizit ansprechen würden, um herauszufinden, ob ein solcher Grund für einen ungewöhnlich hohen Bargeldbezug vorliegt. Im Zusammenhang mit einem Bargeldbezug werde eine Bank jedoch nicht beratend tätig und sei grundsätzlich verpflichtet, eine vom Kunden gewünschte Auszahlung vorzunehmen, wenn keine Anzeichen für eine Urteilsunfähigkeit gegeben seien. Sie müsse nicht prüfen, ob die Verwendung des bezogenen Geldes sinnvoll und im Interesse des Kunden sei.
Selbstverständlich kann man sich fragen, ob eine Bank bei betagten Kunden eine Aufsichts- und Kontrollfunktion übernehmen muss. Es ist auch verständlich, wenn Betrugsopfer und ihre Angehörigen solche Ansichten vertreten. Die juristische Lehre und die Gerichtspraxis auferlegen den Banken aber nach Ansicht des Ombudsman keine solche Verantwortung. Aus etlichen ihm vorgelegten Fällen ist ihm zudem bekannt, dass es viele Kunden gar nicht schätzen und sehr ungehalten reagieren, wenn sie nach den Gründen eines Bargeldbezugs gefragt werden oder gar ihre Urteilsfähigkeit in Frage gestellt wird.
Im vorliegenden Fall stellte sich auch das Problem, dass der Inhalt des Gesprächs von der Bank und der Kundin unterschiedlich dargestellt wurde, was im Ombudsverfahren nicht geklärt werden kann, da der Ombudsman die Glaubwürdigkeit der Parteien nicht hinterfragen darf und keine Beweise erhebt.
Die vom Sohn der Kundin als Anspruchsgrundlage erwähnte VSB und die Geldwäschereibestimmungen haben nach dem Verständnis des Ombudsman nicht den Zweck, den Banken die Pflicht aufzuerlegen, die Entscheide der Kunden zu hinterfragen und zu prüfen, ob diese allenfalls aufgrund von falschen Annahmen getroffen wurden. Sie enthalten keine entsprechenden Regelungen.
Der Ombudsman konnte gut nachvollziehen, dass der Vorfall für die Kundin und ihre Angehörigen eine grosse Belastung darstellte und der Sohn nach Möglichkeiten suchte, seiner Mutter zu einem Ersatz des Schadens zu verhelfen. Er sah jedoch im vorliegenden Fall keine stichhaltigen Argumente dafür, die Verantwortung für den Vorfall der Bank aufzuerlegen und diese zu einem Entgegenkommen zu bewegen.
Der Fall wurde danach von diversen Medien aufgegriffen. Diese benutzten die Gelegenheit, unter Beizug von Fachpersonen vor solchen Betrugsmethoden zu warnen, was leider nicht genug getan werden kann. Zudem wurden Möglichkeiten diskutiert, solche Vorfälle zu vermeiden, wie z. B. die Einführung von Bezugslimiten am Schalter oder systematische Rückfragen bei Angehörigen, wenn betagte Kunden grössere Bargeldbeträge verlangen. Solche Massnahmen, welche die Mitwirkung der Bankkunden und ihrer Angehörigen erfordern, hätten sicher Vorteile. Ohne Einverständnis der Bankkunden wäre ein solch gewichtiger Eingriff in deren Autonomie jedoch nicht zu rechtfertigen. Bei handlungsfähigen Personen stellt sich zudem das Problem, dass diese entsprechende Instruktionen ohne Mitwirkung der Angehörigen selbständig widerrufen könnten. Es bleibt somit sehr anspruchsvoll, in diesem Spannungsfeld befriedigende Lösungen zu finden.