Schaden wegen fehlerhafter Anlageberatung
Die Kundin hatte sich mit einer Reklamation an die Bank gewendet, nachdem sie mit einem strukturierten Produkt, welches auf gleichbleibende oder steigende Zinsen im CHF gesetzt hatte, wegen der gegenteiligen Zinsentwicklung gemäss ihren Aussagen einen Totalverlust erlitten hatte. Sie machte geltend, ihr Depot sei von 114 000 CHF im Jahr 2014 auf 75 000 CHF per Ende 2019 geschrumpft. Ihrer Ansicht nach hatte die Bank sie falsch beraten und nicht richtig über die Anlagerisiken aufgeklärt.
Nach Durchsicht des von der Kundin eingereichten Dossiers hatte der Ombudsman Bedenken, ob ihre Risikofähigkeit und ihre Risikobereitschaft im von der Bank erstellten Kundenprofil korrekt festgehalten worden waren. Die Bank war darin zum Schluss gekommen, dass die Kundin dem Anlageprofil «Ausgewogen» entspreche. Bei diesem muss jemand willens und in der Lage sein, gewisse Kursschwankungen zu verkraften. Als weniger risikoreiche Anlageprofile wären die Kategorien «Ertrag» und «Sicherheit» zur Verfügung gestanden. Die Kundin hatte im Fragekatalog der Bank zum Kundenprofil angegeben, sie habe wenig Kenntnisse von Finanzanlagen. Sie sei während der nächsten fünf Jahre nicht auf das angelegte Geld angewiesen und könnte einen Verlust eines Drittels des bei der Bank gehaltenen Vermögens ohne Einschränkung der gewohnten Lebenshaltung verkraften. Der Ombudsman zweifelte daran, dass der ausgefüllte Fragenkatalog die finanzielle Situation der Kundin realistisch wiedergab und ob die Auswertung der Antworten zum richtigen Risikoprofil geführt hatte. Dies insbesondere deswegen, weil seiner Ansicht nach die Kundin angesichts des geringen Renteneinkommens, welches nicht einmal ihre Miete deckte, für ihren Lebensunterhalt auf den Vermögensverzehr angewiesen war, und ihm deshalb ihre Risikofähigkeit geringer schien, als durch das Kundenprofil ausgewiesen wurde. Neben den Bedenken zum Kundenprofil schien dem Ombudsman zudem fraglich, ob die gestützt darauf getätigten Anlagen diesem auch tatsächlich entsprachen. Schliesslich stellte sich die Frage, ob die Kundin mit den drei Anlagen Klumpenrisiken eingegangen war. Er kontaktierte deshalb die Bank und bat sie, zu seinen Bedenken Stellung zu nehmen.
Diese vertrat die Ansicht, im Zusammenhang mit der Anlageberatung der Kundin keine Fehler gemacht zu haben und war nicht zu einer Schadensbeteiligung bereit. Das Kundenprofil sei nach den damaligen regulatorischen Vorgaben erstellt worden. Das Vermögen der Kundin hätte nach ihrer Berechnung unter Berücksichtigung der finanziellen Beteiligung ihres Lebenspartners am gemeinsamen Lebensunterhalt selbst nach einem Verlust eines Drittels des bei der Bank angelegten Vermögens ausgereicht, um die Miete bis zum Ende der statistischen Lebenserwartung zu bezahlen. Die Kundin sei beim Anlageberatungsgespräch von einer fachkundigen Person begleitet gewesen, deren Wissen ihr anzurechnen sei und habe sich für die drei schlussendlich gewählten Anlagen interessiert. Sie habe selbst entschieden, nur einen Teil des Geldes in der Höhe von 114 000 CHF zu investieren und aus den sieben vorgeschlagenen Titeln drei ausgewählt, welche sie als besonders interessant erachtet habe. Sie sei über die Risiken des strukturierten Produkts mit einem Produkteblatt aufgeklärt worden. Die Risiken der Fremdwährungsobligationen seien ihr ebenfalls angemessen erläutert worden. Es sei für die Bank nicht erkennbar gewesen, dass die Kundin diese nicht verstanden hätte. Wenn man das gesamte bei der Bank gelegene Vermögen der Kundin mit der verbliebenen Liquidität betrachte und nicht nur den schliesslich auf Wunsch der Kundin investierten Betrag, seien mit den drei Titeln auch keine Klumpenrisiken eingegangen worden. Der Anlagevorschlag habe das gesamte bei ihr gelegene Bankvermögen von 250 000 CHF umfasst.
Die Antwort der Bank konnte die Bedenken des Ombudsman nicht zerstreuen. Er war nach wie vor der Meinung, dass die Kundin aufgrund ihrer Lebenssituation keine grösseren Kursschwankungen hätte eingehen sollen und die Anlagen selbst unter dem von der Bank ermittelten Ziel «Ausgewogen» ungeeignet und zu risikoreich waren. Bei einem monatlichen Einkommen von 2000 CHF war die Kundin, selbst wenn ihr Lebenspartner seinen Teil zur Miete beitrug, auf den weitgehenden Erhalt ihres Vermögens angewiesen. In einer solchen Situation einen wesentlichen Teil des Vermögens in ein strukturiertes Produkt mit dem Risiko des vollständigen Kapitalverlusts und in Anlagen mit Fremdwährungsrisiko zu investieren, schien ihm im Ergebnis nicht sinnvoll. Der Ombudsman hatte grundsätzlich Verständnis dafür, dass der Kundin das Fachwissen ihres Begleiters anzurechnen war. Es war den Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen, über welches Fachwissen dieser tatsächlich verfügte. Die Bank hatte unzweifelhaft eine umfassende Anlageberatung erteilt. Sie konnte sich nach Meinung des Ombudsman nicht mit dem Hinweis auf die Begleitperson wesentlicher Pflichten daraus entledigen.
Bei einer Anlageberatung hat die Bank gemäss dem Verständnis des Ombudsman die Pflicht, Empfehlungen abzugeben, die der Risikofähigkeit und Risikobereitschaft des Kunden entsprechen. Gibt die Bank eine Empfehlung ab, die in diesem Zeitpunkt für den betreffenden Kunden offensichtlich unvernünftig und unangemessen ist, und klärt sie ihn nicht angemessen über das Verlustpotential auf, kann von einer Sorgfaltspflichtverletzung der Bank ausgegangen werden. Im Rahmen einer Beratung hat eine Bank sodann sicherzustellen, dass der Kunde die empfohlenen Anlagen und deren Risiken versteht.
Selbstverständlich hat eine Kundin das Recht, Anlagen zu tätigen, welche risikoreicher sind als dies gemäss ihrem Kundenprofil angemessen wäre. Wenn ein Beratungskunde aus einem Anlagevorschlag, welcher sein gesamtes Depot umfasst, lediglich gewisse Titel auswählt, ist es nach dem Verständnis des Ombudsman aber Aufgabe des Anlageberaters, die daraus entstandene Zusammensetzung des Portfolios zu kommentieren und auf allfällige Unausgewogenheiten hinzuweisen. Die Sorgfaltspflichten der Bank als Anlageberaterin hören nicht mit der Abgabe eines Anlagevorschlages auf, und das besondere Interesse einer Beratungskundin an einem bestimmten Produkt entbindet die Bank nicht von diesen Pflichten. Entsprechen die Wünsche, die eine Kundin im Rahmen eines Beratungsgespräches äussert, nicht ihrem Anlageprofil, sollte nach Ansicht des Ombudsman eine deutliche Warnung erfolgen und auch dokumentiert werden.
Es schien dem Ombudsman insgesamt fraglich, ob die Bank vorliegend ihren Sorgfaltspflichten als Anlageberaterin nachgekommen war. Nach einem mehrfachen Briefwechsel und einer Diskussion zeigte sich die Bank schliesslich bereit, der Kundin die Hälfte des Schadens zu ersetzen, welchen sie jedoch als geringer berechnete, als von der Kundin geltend gemacht wurde, da diese unter anderem die periodischen Erträge der Anlagen nicht berücksichtigt hatte. Der Ombudsman hätte sich in diesem Fall eine grosszügigere Schadensbeteiligung der Bank gewünscht. Er unterbreitete der Kundin den Vergleichsvorschlag trotzdem, da eine bessere Lösung im Rahmen des Ombudsverfahrens unrealistisch schien. Die Kundin zeigte sich schliesslich mit dem Vergleichsvorschlag einverstanden.