Kartenmissbrauch nach bewaffnetem Überfall
Der Überfall fand kurz vor Mitternacht auf einer Nebenstrasse in einem ländlichen Gebiet statt, rund 100 km von der nächsten grösseren Stadt entfernt. Die Kundin wurde dabei unter Bedrohung ihres Lebens gezwungen, den PIN ihrer Karte herauszugeben. Die Kartenbezüge erfolgten rund eine Stunde nach dem Überfall. Die Kundin meldete der Bank den Vorfall vier Tage später anlässlich ihrer Rückkehr in die Schweiz. Sie begründete diese Verzögerung mit den Ereignissen nach dem Vorfall: Sie habe kein Internet zur Verfügung gehabt, ihr gesamtes Gepäck inklusive Mobiltelefon sei geraubt worden und es habe keine öffentlichen Telefone gegeben. Die Heimreise dauerte mangels Direktflüge über 35 Stunden. Die Kartensperre habe deshalb nicht früher veranlasst werden können.
Die Bank erachtete die verzögerte Meldung des Vorfalls als Sorgfaltspflichtverletzung. Gemäss dem Schweizerischen Obligationenrecht werde eine Schadenersatzpflicht dann ermässigt oder ganz aufgehoben, wenn der Geschädigte für Umstände einstehen müsse, welche zur Verschlimmerung des Schadens beigetragen haben. Dementsprechend sei auch in den Kartenbedingungen festgehalten, dass der Karteninhaber bei Verlust der Karte nach bestem Wissen zur Minderung des Schadens mitzuwirken habe. Die Kundin sei sich in den Tagen zwischen dem Überfall und der Meldung des Kartenverlusts bewusst gewesen, dass Dritte im Besitz der Karte und des PINs waren. Sie habe nicht wissen können, dass der Schaden bereits entstanden war und in dieser Zeit nicht vergrössert wurde. Sie habe damit einen grösseren Schaden bewusst in Kauf genommen. Für die Beurteilung der Sorgfaltspflicht sei nicht relevant, dass der Schaden entstanden sei, bevor die Möglichkeit einer Kartensperrung bestanden habe. Die Kundin habe durch die verzögerte Kartensperrung ihre Sorgfaltspflicht klar verletzt.
Es ist wohl richtig, dass jeder Geschädigte eine gesetzliche Schadenminderungspflicht hat. Gemäss den anwendbaren Kartenbedingungen ist es zudem tatsächlich so, dass die Bank bei einem Kartenverlust unverzüglich benachrichtigt werden muss und dass diese nur dann eine Entschädigung zu leisten hat, falls die Kundin diese und sämtliche weiteren Sorgfaltspflichten eingehalten hat. Eine Dauer von vier Tagen bis zur Meldung des Vorfalls erscheint relativ lange. Von einer unverzüglichen Benachrichtigung kann kaum gesprochen werden. Trotzdem überzeugte die Argumentation der Bank den Ombudsman nicht. Im konkreten Fall führte die verzögerte Meldung nicht zum eingetretenen Schaden und dieser wurde dadurch auch nicht vergrössert. Die missbräuchlichen Bezüge erfolgten alle kurz nach dem Überfall, was die Kundin mit einem Polizeirapport belegte und von der Bank nicht bestritten wurde. Was die Kundin deshalb konkret hätte tun oder unterlassen können, um den Eintritt des Schadens zu verhindern oder diesen zu mindern, hat sich dem Ombudsman nicht erschlossen. Eine Kontaktaufnahme mit der Bank vor den Bezügen wäre kaum möglich gewesen, weshalb nach Ansicht des Ombudsman bezüglich des konkreten Schadens keine Sorgfaltspflichtverletzung der Kundin vorlag. Die Kartenbedingungen halten fest, dass Schäden, die dem Kontoinhaber aus missbräuchlicher Verwendung der Karte durch Dritte entstehen, durch die Bank übernommen werden, sofern den Kontoinhaber in keiner Weise ein Verschulden trifft. Aus dieser Regelung ergibt sich nach Meinung des Ombudsman, dass ein Verhalten des Kartenberechtigten, das für den Eintritt des Schadens irrelevant ist, ihm nicht nachteilig angerechnet werden kann. Die Berufung auf eine vertragliche Bestimmung, deren Einhaltung am Eintritt des Schadens nichts geändert hätte, erscheint fraglich. Sowohl unter dem Aspekt der Billigkeit als auch bei einer Auslegung der vertraglichen Bestimmungen kam der Ombudsman zum Schluss, dass die Bank eine Entschädigung leisten müsste, und er empfahl ihr daher, den Schaden vollumfänglich zu übernehmen.
Die Bank lehnte eine Zahlung entgegen dieser Empfehlung weiterhin ab und und bekräftigte zur Begründung ihre bereits zuvor vertretene Rechtsauffassung. Der Ombudsman musste der Kundin daher mit Bedauern mitteilen, dass eine gütliche Einigung nicht möglich war, und erläuterte ihr in seinem Abschlussschreiben seine Einschätzung der Streitigkeit und seine Beurteilung der von der Bank eingenommenen Position.