Blockierung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der sogenannten «Madoff-Affäre»
Die von der Bank zurückbehaltene Summe entsprach dem Betrag, welcher dem Konto des Kunden aufgrund von Rückzahlungen von Fondsanteilen gutgeschrieben worden war, die der «Madoff-Affäre» zugeordnet wurden. Die Trustees bzw. Liquidatoren dieser Fonds haben in den USA und auf den British Virgin Islands (BVI) diverse Finanzinstitute eingeklagt und von ihnen die Rückerstattung von Verkaufserlösen aus solchen Fonds verlangt, deren Anteile sie in ihrem Namen, aber auf Rechnung und Gefahr der Kunden gehalten und für diese veräussert hatten, bevor der grosse Betrug bekannt wurde. Die Bank, welche von solchen Klagen betroffen war, vertrat die Ansicht, kraft einer gültigen Verpfändungserklärung zur Zurückbehaltung des Geldes berechtigt zu sein. Sie wollte sich damit für den Fall absichern, dass sie diese Beträge aufgrund eines Gerichtsentscheides tatsächlich einmal an die Trustees bzw. Liquidatoren zurückbezahlen muss.
Der Kunde bestritt, dass er je mit der Bank einen Pfandvertrag abgeschlossen hatte. In den Unterlagen zum Fall fanden sich verschiedene Verpfändungserklärungen mit unterschiedlichen Daten. Die älteren waren vom Kunden unterzeichnet, während die neueren jeweils in die zurückbehaltene Post des Kunden zugestellt worden waren und von diesem unwidersprochen blieben. Die Verpfändungserklärungen wurden im Lauf der Jahre immer detaillierter formuliert, insbesondere, was die Umschreibung der gesicherten Forderungen der Bank anbetraf. Nachdem der Kunde direkt gegenüber der Bank auch die von ihm unterzeichneten Verpfändungserklärungen wegen Irrtum bestritten hatte, machte er gegenüber dem Ombudsman nur noch geltend, er habe mit der Bank nie abgemacht, dass seine Korrespondenz zurückbehalten werden solle, und diese könne sich folglich nicht darauf berufen, die Verpfändungserklärung, welche ihm in die zurückbehaltene Korrespondenz zugestellt worden sei, habe stillschweigend Geltung erhalten, da sie unwidersprochen geblieben sei.
Im Weiteren berief er sich auf den Bundesgerichtsentscheid BGE 142 III 746, in welchem in einem konkreten Fall entschieden wurde, eine Bank könne sich für die Zurückbehaltung von Vermögenswerten im Zusammenhang mit der «Madoff-Affäre» nicht auf eine bestimmte Verpfändungserklärung berufen, da der betreffende Kunde beim Abschluss des Pfandvertrages nicht voraussehen konnte, dass mit dem Pfandrecht in der Zukunft einmal eine solche Eventualforderung der Bank sichergestellt werden solle.
Im vorliegenden Fall stellte sich vorab das Problem, dass geklärt werden musste, welche Verpfändungserklärung Geltung erhalten hatte. Dies war zwischen den Parteien umstritten. Der Ombudsman muss als neutraler Vermittler die Glaubwürdigkeit der Parteien respektieren und kann derartige umstrittene Sachverhalte nicht mittels eines Beweisverfahrens verbindlich klären. Angesichts der konkreten Umstände und der von der Bank vorgelegten, vom Kunden unterschriebenen Empfangsbestätigungen für die zurückbehaltene Post, empfahl er dem Kunden jedoch, seine Haltung in dieser Sachverhaltsfrage zu überdenken. Zudem gab er ihm für den Fall folgende Hinweise:
Fälle, in denen Bankkunden Vermögenswerte herausverlangen, welche Banken in der Folge von Ansprüchen zurückbehalten, welche die «Madoff-Trustees» oder Liquidatoren von «Madoff-Funds» gegen sie richten und Gegenstand von entsprechenden Klagen in den USA und den BVI sind, haben gemäss dem Wissen des Ombudsman schweizerische Gerichte und insbesondere auch das Bundesgericht bereits mehrfach beschäftigt. Neben dem vom Anwalt des Kunden erwähnten BGE 142 III 746 sind noch die Entscheide BGE 4A_429/2014 und BGE 4A_540/2015 bekannt. Im Entscheid BGE 4A_429/2014 wurde das Recht des betroffenen Instituts, Vermögenswerte eines Kunden im Zusammenhang mit der Rückzahlung von Fondsanteilen aufgrund von auftragsrechtlichen Überlegungen zurückzubehalten, bejaht. BGE 4A_540/2015 hat die Frage zum Gegenstand, ob eine Pfandklausel als Grundlage herangezogen werden kann, entsprechende Vermögenswerte als Sicherheit für mögliche Forderungen der Trustees resp. Liquidatoren zurückzubehalten. Dies wurde ebenfalls bejaht. Die in diesem Entscheid beurteilte Pfandklausel war gemäss Feststellung des Ombudsman mit den vom Kunden unterzeichneten älteren, weniger detaillierten Verpfändungserklärungen praktisch identisch.
Wenige Monate später fällte das Bundesgericht den vom Anwalt des Kunden angerufenen gegenteiligen Entscheid. Da der vorangehende BGE 4A_540/2015 darin mit keinem Wort erwähnt wird, ist unklar, ob das Bundesgericht mit dem neuen Entscheid seine Rechtsprechung grundsätzlich ändern wollte, was angesichts des zeitlich erst kurz zurückliegenden gegenteiligen Entscheids überraschen würde, oder ob ein verschiedener Sachverhalt zu einem anderen Entscheid führte. Dies wird unter Juristen denn auch heftig diskutiert. Auffallend ist jedenfalls, dass dem BGE 142 III 746 ein diskretionäres Vermögensverwaltungsmandat zugrunde lag, bei dem der Kunde den Entscheid der Bank, Anteile an sogenannten «Madoff-Funds» zu erwerben und später wieder zu veräussern, nicht beeinflusste, während der vom Entscheid 4A_540/2015 betroffene Kunde die entsprechenden Investitionsentscheide selber traf. Die durch diese beiden Bundesgerichtsentscheide entstandene unklare Situation habe leider dazu geführt, dass entsprechende Streitfälle im Vermittlungsverfahren in der Regel nicht gelöst werden könnten.
Zusätzlich zur Tatsache, dass die relevanten vertraglichen Grundlagen vorliegend unklar waren, erachtete der Ombudsman deswegen die Einleitung eines Vermittlungsverfahrens in Bezug auf das vom Kunden bestrittene Recht der Bank, Vermögenswerte im Zusammenhang mit der Rückzahlung von «Madoff-Funds» zurückzubehalten, leider als von vorneherein aussichtslos. Er musste es dem Anwalt des Kunden überlassen, ob er seinem Klienten in dieser Angelegenheit den ordentlichen Rechtsweg empfehlen konnte.