Anlageberatung und Steuerproblematik bei komplexen Verhältnissen
Er warf der Bank vor, sie habe ihn anlässlich des Beratungsgesprächs nicht auf diese Steuerfolgen aufmerksam gemacht. Dies wurde von der Bank nicht bestritten. Sie verwies jedoch einerseits auf das dem Kunden abgegebene Dokument, in welchem in der Tat vermerkt war, dass die Differenz zwischen der geschützten Minimalrückzahlung und deren Barwert einkommenssteuerpflichtig sei. Andererseits vertrat sie die Auffassung, eine Steuerberatung sei nicht Teil der ihr obliegenden Pflichten bei der Anlageberatung.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass bei komplexen Verhältnissen Probleme in einem Teilbereich auftauchen können, an welchen die Parteien beim Abschluss des Vertrages gar nicht gedacht haben. Es war unbestritten, dass der Kundenberater sich intensiv mit den Wünschen und den Möglichkeiten des Kunden auseinandergesetzt hatte und ebenfalls zum Schluss gelangt war, dass es sich um eine risikoscheue Person handle, bei welcher Kapitalerhaltung im Vordergrund stand. Aus diesem Grunde hat er ihr auch das in Frage stehende Produkt empfohlen. Wäre damit nicht auch die sich erst später zeigende Steuerproblematik verbunden gewesen, hätte nach Meinung des Ombudsman der Bank kein Vorwurf gemacht werden können. Bezüglich der Steuerproblematik vertrat der Ombudsman die folgende Meinung:
Der Ombudsman stimmt der Bank zu, dass eine Steuerberatung nicht Gegenstand der Anlageberatung ist. Dies zumindest dann nicht, wenn damit gemeint ist, die Bank müsse dem Kunden das für ihn steuerlich optimale Produkt empfehlen. Hingegen ist nach Meinung des Ombudsman nicht einsichtig, weshalb der Berater den Kunden zwar – unbestrittenermassen – auf z. B. Verlustrisiken hinweisen muss, dies aber bezüglich spezieller Steuerrisiken nicht der Fall sein soll, handelt es sich doch in beiden Fällen um ein mit dem bestimmten Produkt verbundenes Risiko. Ein von der Bank erteilter Rat ist nur dann vollständig und korrekt, wenn er den Kunden in die Lage versetzt, aufgrund der für ihn relevanten Informationen zu entscheiden. Fehlen Informationen über aussergewöhnliche (Steuer) Folgen, ist die Gefahr eines Fehlentscheides gross.
Hier sei sogleich angefügt, dass die Bank dem Kunden die Steuerfolgen nicht in jedem Fall auseinandersetzen muss. Genauso wie die Bank davon ausgehen darf, dass der Kunde das mit Obligationen oder Aktien verbundene Risiko kennt, darf sie auch davon ausgehen, dass ihm die mit einem Investment in Aktien und Obligationen verbundenen Steuerfolgen bekannt sind. Eine spezielle Aufklärung ist nur dann nötig, wenn die Bank dem Kunden ein für ihn neues und mit speziellen Risiken verbundenes Produkt empfiehlt.
Auch im hier zur Diskussion stehenden Fall wies die Bank darauf hin, die Steuerproblematik sei in den dem Kunden abgegebenen Unterlagen angesprochen worden. Auch wenn der Ombudsman die Meinung der Bank grundsätzlich teilt, kann dieses Argument aber nur dann richtig sein, wenn der Kunde erkennen kann oder muss, dass die in einer bestimmten Klausel enthaltene Aussage als Hinweis auf eine spezielle, dem Kunden unbekannte Gefahr zu verstehen ist. Denn nur dann kann er überhaupt realisieren, dass ihm etwas nicht klar ist. Im vorliegenden Fall wies die Bank darauf hin, dass «die Differenz zwischen der geschützten Minimalrückzahlung und deren Barwert …» einkommenssteuerpflichtig sei. Eingedenk des Umstandes, dass die Bank das fragliche Produkt als Alternative zum Kauf einer Obligation empfahl, und angesichts der Tatsache, dass der Berater nicht auf spezielle Steuerfolgen hingewiesen hat: Muss man nicht davon ausgehen, dass der Barwert wohl immer höher als die garantierte Minimalrückzahlung sein wird, und deshalb annehmen, dass allenfalls auf dieser Wertsteigerung Einkommenssteuern bezahlt werden müssen? Oder liegt bei der beschriebenen Sachlage wirklich die Annahme nahe, dass der Barwert geringer als das investierte Kapital sein kann, so dass auf einem Teil des Vermögens nochmals Einkommenssteuern zu entrichten sind? Der Ombudsman vertrat die Meinung, es könne dem Kunden kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er die Brisanz der Thematik mit der für den Laien abstrusen Konsequenz nicht erkannt und deshalb auch nicht zurückgefragt hat, auch wenn es zutrifft, dass die von der Bank gewählte Formulierung rein sprachlich auch die zweite Variante mitumfasst.
Nach Meinung des Ombudsman müssen Formulierungen nicht nur die Thematik ansprechen, sondern umfassend und verständlich auf die Problematik hinweisen, damit der Verfassende daraus etwas für sich ableiten kann. Die Bank war anderer Meinung und hat ein Entgegenkommen abgelehnt.